13. Juli 2025

Verlustangst lösen: Eine Guideline

💔Verlustangst lösen: Eine Guideline
Verlustangst oder auch die Angst vor dem Verlassenwerden, die Angst den anderen zu verlieren und die Angst vor Zurückweisung, quält viele Menschen in ihrem Leben.
Sie kann die Beziehungen zu geliebten Menschen beeinflussen, dass alltägliche Leben erschweren und den Selbstwert beschädigen.
Egal, ob wir ständig zu Eifersucht neigen, Dauersingle sind, uns nicht einlassen können auf Beziehung und Nähe, klammern oder uns in Beziehung stark eingeengt fühlen, all diese Symptome, können als ein (meist-) unbewusster Versuch betrachtet werden, mit Verlustangst umzugehen.
Wir widmen und heute der Verlustangst, mit dem Ziel, sie besser zu verstehen und um erste Möglichkeiten im Umgang mit ihr abzuleiten.

📋 Verlustangst ist per se keine psychische Störung
Schauen wir uns zuerst an, was Verlustangst nicht ist. Verlustangst ist kein eigenständiges Diagnosekriterium, d.h. kein Psychotherapeut wird dir die Diagnose Verlustangst ausstellen.
Dabei lässt sich Verlustangst abgrenzen von psychischen Störungen wie der Trennungsangst im Kinder und Jugendalter, der genralisierten Angststörung, der Borderline Persönlichkeitsstörung oder auch der nicht pathologischen Bindungsangst, welche eher dem unsicher-vermeidenden Bindungsstil (sich nicht binden wollen, keine Nähe zulassen) zuzuordnen ist.
Während sie gleichzeitig als Symptom in eben solchen Störungsbildern vorkommen kann: 
1. Generalisierte Angststörung: Verlustangst kann eine von vielen anhaltenden          und übermäßigen Sorgen sein, die schwer zu kontrollieren sind und zu                        übermäßiger Anspannung führen.
2. Depressionen: Menschen mit Depressionen können aufgrund ihrer Symptomlage (Antribeslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Interessenverlust etc.) verstärkt Verlustängste empfinden, da die Betroffenen oft Schwierigkeiten haben, wichtige Menschen in ihrem Leben zu halten oder Beziehungen zu schützen. Zumal Depressionen zur Vernachlässigung von Sozialen Kontakten führen kann.
3. Borderline Persönlichkeitsstörung: Ein Kernmerkmal der Borderline Persönlichkeitsstörung ist das Erleben von starken, intensiven Angstgefühlen vor Ablehnung oder Verlassenwerden. Das meist übermäßige Bedürfnis nach Nähe gekoppelt mit starker Idealisierung des Partners / der Partnerin pendelt mit einer starken Angst vor emotionaler Verletzung und Abwertung des Gegenübers. Hier ist die Verlustangst teil des Störungsbilds und führt häufig zu Instabilität und zu konfliktreichen Beziehungen, die durch impulsive Verhaltensmuster und emotionale Ausbrüche ausdruck finden.

❓Was ist Verlustangst?
Verlustangst lassen sich, als ein Symptom und Zustand intensiver Furcht bezeichnen, welcher meist aus einem unsicher-ambivalenten Bindungsstil (Sehnsucht nach Nähe und Verbundenheit, aber gleichzeitig Angst das sie nicht von Dauer ist) entsteht.
Die intensive Furcht, kann so intensiv erlebt werden, wie eine existenzielle Bedrohung – vergleichbar mit Todesangst. Denn in der frühen Entwicklung bedeutete der reale Verlust der Bezugspersonen tatsächlich Lebensgefahr. Vor diesem drohenden Verlust muss das Kind sich schützen. Und unser Nervensystem hat diesen Zusammenhang tief verankert: Trennung und Distanz wird als Alarmzustand registriert, weil solche Situationen früher das Überleben gefährdeten. Auch wenn der Verlust heute nicht mehr existenziell ist, reagiert der Körper mit den gleichen biologischen Stressmustern, die sich bildeten in Momenten kleinerer und größerer Verlusterfahrungen mit unseren primären Bezugspersonen.
Dabei hat Verlustangst auch einen stark mentalen Charakter:
Sie zeigt sich als übertriebene, in die Zukunft gerichtete Sorge, dass eine wichtige Bezugsperson uns verlassen oder zurückweisen könnte.
Ausgelöst wird sie häufig in engen Beziehungen – etwa, wenn der oder die Partnerin allein feiern gehen möchte oder Freund*innen ohne uns in den Urlaub fahren. Verlustangst tritt oft dann auf, wenn wir eine Trennung real erleben oder nur vorgestellt und somit emotional vorwegnehmen.
Letztlich ist Verlustangst ein Zustand innerer Not, ursprünglich als Lebendsbedrohlich erlebt, während wir heutzutage als Erwachsene die vergangene Erfahrung in die Gegenwart projizieren, auch wenn uns heutzutage ein Verlust nichts mehr anhaben kann. 

🌱Wie entsteht Verlustangst?
Verlustangst entsteht in den ersten Lebensjahren und lässt sich mithilfe der Bindungstheorie nach Bowlby nachvollziehen.
Nach Bowlby besitzen wir als Säuglinge eine angeborene Tendenz, Nähe zu mindestens einer unserer primären Bezugspersonen (meist Mutter/Vater) herzustellen. Diese Funktion dient uns als Kind zum Überleben. Wir könnnen uns so besser vor möglichen Gefahren schützen, Sicherheit erleben und Stress regulieren.
Erleben wir unsere Bezugspersonen als verfügbar, beispielsweis wenn das Baby schreit und eine Bezugsperson kümmert sich um das Kind und passiert dies konsitent, über die meisten Situationen hinweg, dann entwickeln wir eine „innere Repräsentation“ dieser erlebten Führsorge. Wir entwickeln ein mentales Schema darüber, ob das Gegenüber, uns verlässlich und führsorglich umsorgt und gleichzeitig´bilden wir aus der Interaktion unser Selbstbild, wir speichern ab, ob wir liebenswert sind. Diese früh gebildeten Modelle beeinflussen langfristig, wie wir als Erwachsene Nähe, Trennung und Verlust interpretieren.

👶 Verlustangst ensteht, wenn Bindung nicht sicher war:
Am Anfang der kindlichen Entwicklung, im 1. Lebensjahr, sind wir vollständig auf die Bezugspersonen angewiesen. Es ist für uns überlebenswichtig, dass unsere Bedürfnisse durch die Eltern erkannt und befriedigt werden. In den ersten Lebensjahren machen sich Kinder durch einfaches Schreien bemerkbar, um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen (z.B. schreien, um Zuwendung zu erfahren, wenn sie hungrig sind). Erleben wir verlässliche Führsorge, kann sich ein stabiles Urvertrauen entwickeln. Die inneren Repräsentationen entstehen: „Ich bin es wert, dass man sich um micht kümmert“, „Ich kann auf anderes Vertrauen“. 

🧩 Was passiert, wenn sichere Bindung fehlt:
Wenn ein Kind kein ausreichend sicheres Bindungsangebot erhält, erlebt es oft bereits früh eine Kette kleiner, aber bedeutungsvoller Verlusterfahrungen.
Werden die grundlegenden Bedürfnisse nach körperlicher Nähe, Sicherheit, Geborgenheit, und Zuwendung über lange Zeit verwehrt (wie es beim desorganisierten Bindungsstil häufig der Fall ist), immer wieder vernachlässigt (unsicher-vermeidender Bindungsstil) oder nur unregelmäßig, widersprüchlich oder wenig liebevoll erfüllt (ängstlich-ambivalenter Bindungsstil), entwickelt wir als Kind ein tiefes Gefühl von Furcht und Angst, da es nicht mehr auf die verlässliche Versorgung seiner Bedürfnisse durch die Bezugspersonen, vertrauen kann. Es entstehen Bedrohungsgefühle und Ängste, die darum kreisen, dass wir uns der Führsorge der Bezugspersonen und der Bedürfnisbefriedigung nicht mehr sicher sein können und wie wir es hinbekommen, sie dennoch sicherzustellen.

🧒 Der ängstlich-ambivalente Bindungsstil entsteht:
Die Bindungsforschung zeigt, dass sich die frühen Interaktionen mit unseren Bezugspersonen als dauerhafte „innere Arbeitsmodelle“ bilden, welche als Erwachsene (un-)bewusst abgerufen, zu unseren Beziehungsmustern werden.
Der ängstlich-ambivalente Bindungsstil entwickelt sich zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr – also in einer sensiblen Phase, in der wir auf die Sicherheit und emotionale Resonanz besonders angewiesen sind.
In einem Experiment nach Aisworth („Strange-Situation-Procedure“) reagieren ängstlich-ambivalent gebundene Kinder, wenn die Berzugsperson den Raum verlässt, mit einem intensiven Protest und bei der Rückkehr sind sie schwer zu berruhigen. Ihre simultane Suche nach Nähe und bei gleichzeitiger Zurückweisung bei Rückkehr der Bezugsperson spiegelt das Grundmuster des Bindungsstils wider.
Die zentrale Erfahrung ist:
„Bindung findet statt – aber ich kann mir nie sicher sein, dass sie bleibt.“
Der ängstlich-ambivalente Bindungsstil entsteht, wenn Fürsorge inkonsistent bleibt: Das Kind lernt, emotional zu „eskalieren“, um Aufmerksamkeit zu sichern, entwickelt jedoch kein Grundvertrauen in die Vorhersagbarkeit elterlicher Unterstützung. Neurobiologisch begünstigt es eine Hyperaktivierung des Bindungssystems (z. B. vermehrte und dauerhafte Reaktionsbereitschaft auf Trennungsreize, überaktivierung von Annäherungstendenzen).
Der Bindungsstil zeichnet sich als Kind durch übermäßiges Klammern, eingeschränktes, eigenständiges Erkunden der Umwelt, starke körperliche Stressreationen bei kurzen Trennungen und gleichzeitige Suche nach Nähe sowie ärgerlicher Protest gegen Trostversuche nach Trennungen aus.
Ohne Interventionen, bleibt der Bindungsstil stabil erhalten und ist relativ häufig als Adaptionsmuster in Beziehungen zu beobachten. Das Bindungsmuster beeinflusst auch noch als Erwachsener die eigene Stressverarbeitung, Beziehungsgestaltung und anfälligkeit zur Entwicklung von psychischen Störungen.
Meist äußert sich der Bindungsstil im Erwachsenenalter als starkes Bedürfnis nach Nähe, kombiniert mit Eifersucht und Kontrollverhalten, einer überinterpretation von neutralen Distanzsignalen als Ablehnung und Pendeln zwischen Idealisierung oder Entwertung des Partners in Bezug auf seine Beziehungsgestaltung.
Dabei lassen sich die Bindungsstile als Anpassungsversuch deuten, um unter unsicheren Bedingungen, Bindung dennoch aufrechtzuerhalten.




🧠Typische Erfahrungnen, die den ängstlich-ambivalenten Bindungsstil fördern:
• Das Baby schreit – aber niemand reagiert oder die Bezugsperson kommt zu spät.
• Rollenumkehr (Parentifikation): Das Kind muss emotionale Stütze für Mutter oder Vater sein, deren Sorgen anhören oder trösten und erlebt sich verantwortlich für das Wohlbefinden der Bezugsperson.
• Chaotische, unvorhersehbare Alltagsroutinen (Füttern, Schlafen, Abholen), sodass das Kind nie genau weiß, wann Bedürfnisse verlässlich gestillt werden.
• Konditionierte Zuwendung: Liebe und Aufmerksamkeit werden an Leistung oder Gehorsam geknüpft („Ich hab dich lieb, wenn …“) und die Zuwendung wird entzogen, sobald die Erwartungen nicht erfüllt sind.
• Das Kind wird bestraft, wenn es laut ist oder spielen möchte – seine natürlichen Impulse stoßen auf Ablehnung.
• Die Eltern sind stark gestresst durch Arbeit, Krisen oder ihre eigenen ungelösten Themen – und reagieren emotional oder abweisend auf kindliche Bedürfnisse und Gefühlsäußerungen.
Solche Erfahrungen lassen im Kind die Angst entstehen, dass Nähe jederzeit abbrechen kann. Diese Inkonsistenz prägt das Sicherheitsgefühl: Das Kind pendelt in seinem emotionalen Erleben zwischen der Gewissheit, dass Fürsorge kommt und dem Gefühl, im Stich gelassen zu werden.

🧬 Warum nicht jede*r mit ängstlich-ambivalentem Bindungsstil ausgeprägte Verlustangst entwickelt
Der ängstlich-ambivalente Bindungsstil erhöht zwar das Risiko für Verlustangst, dies folgt jedoch keinem Automatismus. Unteranderem drei Einfluss¬ebenen können darüber entscheiden, ob und wie stark sich die Verlustängste später manifestieren:
1. Qualität und Häufigkeit der Inkonsistenz:
Bleibt die Inkonsistenz moderat oder in der Häufigkeit begrenzt, kann das Kind dennoch genügend führsorgliche Erfahrungen sammeln, die das Bindungssystem beruhigen.
2. Persönlichkeits- & Temperamentsmerkmale des Kindes:
Kinder mit einer hohen Selbstberuhigungsfähigkeit und einer angeborenen resilienteren Stressphysiologie erleben Trennung und Verlust weniger intensiv.
3. Spätere Entwicklungspfade:
Sichere Ersatzbindungen (Großeltern, Lehrer), stabilie spätere Peer-Beziehungen oder Psychotherapie im Kleinkindalter oder im Erwachsenen Alter können dazu beitragen, dass die inneren Modelle umgeschrieben und die Hyperaktivierung des Nervensystems abnehmen.

Die gute Nachricht ist, Verlustängste sind veränderbar, auch wenn der Weg hin zu einem sicheren Bindungsstil, für jeden individuell ist.

🔂 Wie Verlustangst aus dem ängstlich-ambivalenten Bindungsstil ensteht:
Stärkere Verlustängste können aus dem ängstlich-ambivalenten Bindungsstil hervorgehen:
1. Inkonsistente Fürsorge
Die emotionale Reaktionen auf ausbleibende Fürsorge sind intensiv: Hilflosigkeit, Überforderung, Angst, Trauer und Wut (oft unterdrückt). Das Kind fühlt sich machtlos – es erlebt, dass die eigenen Signale und Bedürfnisse keine (ausreichende) Resonanz der Bindungspersonen hervorrufen. Diese frühen Ohnmachtserfahrungen können zu einem tiefen Ur-Misstrauen gegenüber sich selbst und der Welt führen. Das kindliche Stress- und Bindungssystem (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, Amygdala) wird dabei überstimmuliert; Distanz- und Trennungsreize werden priorisiert wahrgenomen und überinterpretiert.
2. Mentale Repräsentationen
Das Kind speichert die Summe der Verlusterfahrungen als innere mentales Modell ab: Eine innere Vorstellung darüber, wie verlässlich das Gegenüber ist („Nähe ist gegeben, aber es ist nie sicher das sie bleibt“) – und wie wertvoll es selbst ist („Ich muss besonders laut sein, um wichtig zu sein“).
3. Lern- und Gedächtniskonsolidierung
Häufig erlebte Angst + unzureichende Beruhigung führen zu einer stärkeren Konsolidierung im emotionalen Gedächtnis (insb. Hippocampus/Amygdala-Schleife). Die neuronale Spur der Verlusterfahrungen wird tiefer, je öfter sie aktiviert wird.
4. Aktualisierung im Erwachsenenalter
Beziehungssituationen, die Distanz andeuten (Nachrichten nicht beantworten, alleine ausgehen) reaktivieren das alte Muster. Wer keine korrigierenden Bindungserfahrungen oder Emotions¬regulations¬strategien erworben hat, erlebt nun manifeste Verlustangst – andere nur kurzzeitige Unsicherheit.
Neben dem, dass Verlustangst aus dem ängstlich-ambivalenten Bindungsstil entstehen kann, gibt es noch weitere mögliche Ursachen:

🌪 Weitere mögliche Ursachen für Verlustängste:
5. Bindungsverletzungen während der Autonomiephase
Während viele Eltern in den ersten Lebensjahren sehr bemüht sind, Nähe und Fürsorge zu geben, entwickelt sich spätere Verlustangst dann in der späteren Autonomiephase (zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr). In einer Phase in der, die Kinder ihren eigenen Willen und ihre eigenen Grenzen entdecken, können Bindungsverletzungen entstehen, die den Boden für Verlustängste im Erwachsenenalter bereiten. Der Zusammenhang zwischen Verlustängste, der Autonomiephase sowie mit unterdrückter Wut, wird in einem nächsten Blogbeitrag aufgegriffen.
6. Negative Beziehungserfahrungen
Spätere, negative Beziehungserfahrungen in einer Partnerschaft (Betrug, wiederholtes Verlassenwerden, emotionale Kälte etc.) oder in Freundschaften und anderen wichtigen Beziehungen, können Ängste vor einem möglichen Verlust verstärken und auslösen.
7. Geringes Selbstwertgefühl
Während sich unser Selbstwert ebenfalls primär in der Kindheit bildet, kann dieser ebenfalls auslöser für Verlustängste sein. Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl, neigen dazu Verantwortung für Konflikte oder Probleme in Beziehungen alleine zu tragen, was die Verlustangst verstärken kann.
Wir können festhalten, die meisten Menschen werden im Laufe der frühkindlichen Entwicklung Verlustängste erlebt haben und heutzutage erlebte Verlustängste gehen mit hoher wahrscheinlichkeit, auf frühere Bindungserfahrungen zurück. Wie stark diese Ängste im Erwachsenenalter ausgeprägt sind, hängt jedoch stark von der Qualität der frühen Beziehungen ab und davon, ob im Erwachsenen Alter neue Beziehungserfahrungen möglich waren, die Einfluss auf die Verlustängste genommen haben. 

⚠️Typische Verhaltensweisen bei Verlustangst im Erwachsenenalter
Verlustangst wird dann problematisch, wenn sie anhaltend und übermäßig auftritt. Wenn sie das tägliche Leben einschränkt und Beziehungen negativ beeinflusst. Betroffene fühlen sich oft von der Angst überwältigt und erleben, wie sie daran gehindert werden, gesunde und erfüllte Beziehungen zu führen.
Typische Verhaltensweisen, die aus Verlustangst entstehen und die dafür da sind, um einer vermeintlichen Trennung entgegenzuwirken:
• ekzessives Klären wollen nach einem Konflikt (ständiges einfordern von Bestätigung oder „das alles gut ist“)
• ständiges Checken von Nachrichten
• starkes nähe Bedürfnis (übertriebene Kuschel- oder Redebedürfniss)
• Pausen in der Kommunikation kaum aushalten können
• Mindestabstand halten (Keine echte Nähe zulassen - wenn nie jemand wirklich nahekommt, kann kein Verlust stattfinden)
• gleichzeitige Kontrollrituale (ständiges Livestandort anfordern etc.)
• Tests und „Mikropausen“ (Minikontakt Pausen, um zu prüfen, ob die andere aktive Nähe sucht)
• Gedankenkreisen und Katastrophisieren (Kopfkino – er meldet sich nicht, sicher hat er jemand neuen kennengelernt)
• Emotionaler Kurzschluss (starke Angst, Panik oder Eifersucht, Hilfslosigkeit und einer oft kaum wahrgenommenen Wut)
• Starke Einstimmung auf die Bedürfnisse des Partners (Eigene Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen werden oft nicht mehr geäußert – aus Angst, „zu viel zu sein“ oder Ablehnung zu erfahren)
Die Strategien helfen meist kurzfristig (akute Berruhigung) verstärken jedoch die Verlustangst negativ, da die Anspannung rasch absinkt und das Verhalten so als belohnend erlebt wird, während es einen Teufelskreis aus Kontrolle, Klammern, den anderen Testen, unter Druck setzen oder Distanz provozieren aufrechterhält und so langfristige Beziehungen gefährden können.

🛋 Wie kann ich Verlustangst heilen? – Eine psychodynamische Perspektive
Aus psychodynamischer Perspektive stellt Verlustangst eine Re-Inszenierung eines frühkindlich fehlenden, guten Objekts dar:
Das heutige Beziehungsgeschehen – etwa, wenn der oder die Partnerin auf Distanz geht – reaktiviert unbewusst die früheren Verlusterfahrungen, als die primäre Bezugsperson plötzlich emotional oder physisch nicht mehr verfügbar war.
In den ersten Lebensmonaten (0–1 Jahr) kann das Kind noch keine stabile Objektrepräsentanz aufbauen; Sicherheit entsteht fast ausschließlich durch reale Präsenz – über Hautkontakt, Blick, Stimme. Bleibt diese Fürsorge inkonsistent oder bricht wiederholt ab, speichert das kindliche Nervensystem Beziehung als unsicher und potenziell bedrohlich.
Erst ab etwa dem zweiten Lebensjahr entwickelt sich allmählich Objektkonstanz: Das Kind beginnt, die Bezugsperson innerlich „bei sich zu behalten“, auch wenn sie physisch abwesend ist. Doch die Qualität dieser inneren Repräsentanz hängt entscheidend davon ab, wie verlässlich Fürsorge bis dahin – und darüber hinaus – erlebt wird.
Persistiert emotionale Inkonsistenz oder Abwesenheit, entsteht ein ambivalentes oder fragmentiertes inneres Modell: Nähe wird auch nach dem dritten Lebensjahr nicht als stabil und sicher erlebt, sondern als potenziell gefährlich – gerade, weil das Kind nun bereits ein inneres Interaktionsbild mit den Bezugspersonen abgespeichert hat, das von Unsicherheit geprägt ist.
Im Erwachsenenalter genügt deshalb oft schon eine scheinbar harmlose Andeutung von Distanz, um genau diese alten inneren Bilder zu reaktivieren: Der Partner oder die Partnerin wird unbewusst zum „verschwindenden Objekt“ und nicht mehr als reales Gegenüber erlebt.
Die dabei empfundene Angst wirkt so überwältigend, weil sie nicht bloß eine gegenwartsbezogene Sorge ist, die sich um einen möglichen Verlust dreht, sondern auch die Re-Aktivierung einer frühkindlichen Trennungserfahrung, die bislang nicht ausreichend verarbeitet und integriert werden konnte.

🔁 Verlustangst überwinden bedeutet nicht, den perfekten Partner zu finden
Ein weitverbreiteter Irrglaube lautet: „Wenn nur der richtige Mensch kommt, wird meine Angst verschwinden.“ Die harte Wahrheit ist: Es wird niemand kommen, der dich so liebt, wie du es damals gebraucht hättest. Kein Partner oder Partnerin kann rückwirkend eine frühkindliche Not vollständig ausgleichen. Der Versuch, Verlustangst durch Beziehung zu kompensieren, führt oft nur in neue Abhängigkeit – nicht in echte Nähe. Wobei ein gesundes Gegenüber dennoch einer der Schlüssel zur Heilung von Verlustangst ist. Aber lass es mich erklären:

🧭 Der Weg zur Lösung: Konfrontation statt Kontrolle
Verlustangst heilt nicht durch Kontrolle, ständiges Absichern oder gedankliches Durchspielen aller Szenarien. Sie heilt, wenn wir uns bewusst dem Gefühl der Angst, dem potenziellen alleine sein zuwenden, statt sie zu vermeiden oder zu bekämpfen.
Fühlen bedeutet:
        • Nicht sofort zu reagieren („Ich muss ihn jetzt anrufen und das Klären!“),
        • Sich nicht in Gedankenspiralen zu flüchten („Was, wenn sie mich verlässt?“),
        • Sondern innezuhalten:
               👉 Was fühle ich gerade wirklich?
               👉 Wo im Körper spüre ich die Angst?
Wenn du beginnst, die Angst bewusst zu fühlen, passiert etwas Entscheidendes:
        • Du bemerkst vielleicht, dass dir dieses Gefühl bekannt vorkommt.
        • Du erkennst, wie alt du dich darin fühlst.
        • Vielleicht tauchen Bilder, Körperempfindungen oder frühere Erinnerungen auf.
        • Und du begreifst: Diese Angst ist nicht neu. Die frühkindliche Prägung wird                  spürbar
Die Prägung ist die abgespeicherte, unbearbeitete Erfahrung von damals – und sie kann heute neu gehalten, begleitet und integriert werden.


🌱 Integration statt Reaktion
Natürlich wird dieser Prozessdes fühlens Widerstand auslösen:
       • „Das halte ich nicht aus.“
       • „Er darf das nicht machen!“
       • „Ich will das nicht fühlen müssen.“
Doch genau dort liegt der Schlüssel. In dem Prozess der aufarbeitung, wird es darum gehen, deine Widerstände auf dem Weg beachten, den Schutz, der in jedem Widerstand steckt zu achten und dich entlang des Widerstands zu hangeln, statt diesen zu übergehen oder zu bekämpfen. Wie das geht, dazu komme ich noch in einem weiteren Blogartikel.
Die Intensität, die du heute spürst, ist die Intensität der damaligen Erfahrung. Du musst nicht mehr reflexhaft handeln. Du musst dich nicht mehr vor dem drohenden Verlust schützen. Du kannst innehalten. Du kannst atmen. Du kannst fühlen. Mit der Zeit wächst deine Kapazität, die Angst zu halten, ohne sie kontrollieren zu müssen.
Der Kern von Verlustangst:
Im Kern ist Verlustangst die existenzielle Befürchtung zu sterben.
Natürlich wissen wir rational: Niemand stirbt an einem ausbleibenden Anruf oder an dem Rückzug eines Gegenübers. Und doch interpretiert das innere System Distanz und Rückzug als genau das: „Du wirst allein gelassen. Und wenn du allein bist, bist du in Gefahr.“
Die Frage ist also:
- „Was glaube ich, wird passieren, wenn ich Verlassen werde?“
- „Was ist das Schlimmste, wovor ich wirklich Angst habe?“
Wenn wir der Angst ehrlich begegnen, kommen wir oft zu einer alten, kindlichen Vorstellung: Ich werde nicht mehr versorgt. Ich bin ausgeliefert. Ich könnte sterben.
Natürlich ist das in der Gegenwart nicht mehr real – aber das Gefühl stammt nicht aus der Gegenwart. Es stammt aus der Zeit, in der die Todesangst realistisch war, aus der frühen Kindheit, als Bindung gleichbedeutend war mit dem Überleben war. In dieser Lebensphase konnte das Alleinsein, das „Nicht-beachtet-werden“, tatsächlich lebensbedrohlich sein – weil das Kind ohne ausreichend Bindung keine Nahrung, keinen Schutz, keine Regulation hatte.
Deshalb fühlt sich Distanz und Trennung heute manchmal an, als ginge es ums Überleben. Es ist als würde eine dunkle, vage, schemenhafte Bedrohung aktiviert, die uns überrollt. Unsere Aufgabe ist es, uns genau anzuschauen:
1. Wovor habe ich solche Angst?
2. Was glaube ich, wird passieren, wenn ich allein bin?
3. Kann das, wovor ich Angst habe, mich wirklich umbringen? Wenn ja, wie genau?
Vor einer realen Gefahr können wir uns meist in Sicherheit bringen oder wir können realisieren, dass wir nicht mehr in Gefahr sind.
Wie du mit Verlustangst arbeitest:
Vorweg: Meist braucht es für tiefsitzende Verlustangst Unterstützung durch ein sicheres Gegenüber, um diese zu überwinden. Die Erfahrung von frühen Verlusten ist meist so schwer zu regulieren und durchzufühlen, weil sie dadurch verstärkt wurde, dass wir damals mit dem Gefühl allein gelassen wurden. Die Ohnmacht, der Schmerz und die Furcht überrollten uns in einer Zeit, in der wir noch wenig Ressourcen hatten, mit den Gefühlen umzugehen. In einer Zeit, in der es uns noch nicht möglich war, Unterstützung einzufordern, die über ein „sich bemerkbar machen“ hinaus gingen. Genau diesen Mechanismus, gilt es heute zu überwinden. Als Erwachsene können wir durch ein sicheres gegenüber, welches sich uns genau an der Stelle zuwendet, an der wir damals allein gelassen wurden und uns dabei unterstützt die Gefühle von damals zu fühlen, einzuordnen und auszuhalten sowie die damit verbundene Widerstände zu achten, eine neue Kontakterfahrung machen. Wir können Kontakt und die Gefühle von uns, die im Kontakt auftauchen, wieder als sicher und verbindend erleben.
Falls du dennoch bereits jetzt an deiner Verlustangst arbeiten möchtest, mögen dir folgende Impulse hilfreich sein:
Echte Verlustangst hat nichts mit dem Außen, mit dem Partner oder der Partnerin zu tun. Sie wird in dir selbst ausgelöst, eine alte, komplexe Erfahrung.
Zunächst gilt es zu klären, wie alt du dich in dem Gefühl der Verlustangst erlebst. Du kannst dich fragen, fühle ich mich Erwachsen oder eher kindlich und welchem Alter, würde ich die Erfahrung zuordnen.
Anschließend ist es wichtig, sich bewusst mit dem Erwachsenen Ich zu verbinden. Schon das Lesen dieses Artikels kann dabei helfen – ebenso wie die Vorstellung, dass deine heutigen Ängste nur die vertrauten Klänge einer alten Schallplatte sind, die vergangene Verlusterfahrungen wieder spürbar macht.
Während du dich mit der alten Erfahrung verbindest und beginnst diese intensiver wahrzunehmen, mache dir bewusst, du bist heute den Gefühlen nicht mehr ausgeliefert. Sie zu fühlen, wird dein Kopf nicht explodieren lassen.
Wenn du merkst, dass die Angst dich überflutet, mach dir klar, du hast heute die Ressourcen, dir Unterstützung zu suchen. Sich Hilfe mit Gefühlen zu suchen, die uns überfordern, kann bereits eine heilende Erfahrung werden, da wir merken, dass wir heute Selbstwirksam sind, während wir damals mit dem Gefühl alleine waren.
Du kannst dich deiner Angst – allein oder in Begleitung – stellen, indem du genau erkundest, was sie in dir auslöst, wovor du genau Angst hast, wie die Angst dir bedrohlich wird und in dem du Schritt für Schritt dein mentales Angstgebilde schließlich, wie den Gordischen Knoten durchschlägst.
Wenn im Verlauf des Prozesses klarer wird, dass Verlust zum Menschsein dazugehört, verliert die frühere Erfahrung mit der Zeit ihre Macht über dein emotionales Empfinden.
Und so ist es dann auch bei echtem Verlust, du lernst zu trauern, ohne dass der Verlust dein Leben bedroht oder ohne das er dich zerstören könnte.
Stattdessen setzt mit der Zeit ein neues Gefühl ein.
Du beginnst zu spüren: Ich bin heute sicher.
Verlust eines Gegenübers ist nicht mehr so gefährlich wie es mal war. Ich kann heute lernen damit umzugehen, denn es ist das alte Gefühl, dass sich über das hier und heute legt. Und ich kann dennoch stabil bleiben, mich dem Gefühl widmen, ohne das es mich zerstört.
Und während diesem Prozess, hin zu dem Kontakt mit dir und deiner Gefühlswelt, wird auch echte Beziehung und Nähe wieder für dich möglich – nicht als Ort der Kompensation, sondern als Raum für Verbindung.
Heilung beginnt nicht damit, dass die Angst sofort verschwindet. Sondern damit, dass du spürst, dass du sie heute fühlen und überleben kannst – weil du heute erwachsen bist. 

❤️‍Verlustangst lösen heißt: echte Nähe wieder zulassen
Während uns ungelöste Verlustangst oft in einem inneren Dilemma zurücklässt:
• Ist jemand zu nah, taucht Angst auf – denn so viel Nähe könnte man ja verlieren.
• Ist jemand zu weit weg, taucht ebenfalls Angst auf – weil die Verbindung als brüchig erlebt wird, eben so wie damals.
So kann sich die Verlustanngst erst richtig lösen, wenn die alte Angst gewürdigt und gefühlt wurde und klar wird, dass die Gegenwart wirklich anders ist und keine Gefahr mehr droht, mit der wir nicht umgehen könnten.
Wenn wir die Verlustangst nicht mehr durch Kontrolle oder Rückzug verdrängen müssen, wird wieder echte Nähe in Beziehung möglich:
• Geborgenheit, die nicht auf Kosten der eigenen Autonomie geht
• Vertrauen, ohne permanentes Absichern
• Fallenlassen, ohne Angst vor den Konsequenzen
Freiheit in Beziehungen bedeutet dann nicht mehr, ständig die Beziehungen zu wechseln – sondern sich vollständig einlassen zu können, mit unseren eigenen Bedürfnissen und Grenzen, ohne uns selbst dabei zu verlieren. Wenn wir merken, dass der Partner oder die Partnerin nur unzuverlässig Bindung bereitstellt, halten wir aus, die Beziehung so umzugestalten, dass wir uns weiterhin sicher, wohl und entspannt fühlen können. Auch wenn das manchmal Trennung bedeutet.
Je mehr wir unsere Verlustangst geheilt haben, desto mehr erleben wir uns in Bezeihung als zwei getrennte Individuen, die sich über die Beziehung miteinander verbinden. Wobei die
Beziehung zu einem Spiel aus Nähe und Distanz, Kontakt und Autonomie wird.
Und das ist ein möglicher Weg in echte Beziehungsfähigkeit – mit dir selbst und mit anderen.




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